Wir nehmen uns den ersten aktiven Vulkan vor
Am Vortag haben wir es noch rechtzeitig geschafft über die Grenze zwischen Argentinien und Chile zu fahren. Die kleineren Grenzübergänge schließen spätestens um 20 Uhr. Wir entscheiden uns, direkt zum nächsten Projekt zu fahren und schlagen unser Lager kurz vor Mitternacht auf. Es riecht nach Schwefel. Zusätzlich hören wir ein lautes, stetiges Zischen, das wir weder lokalisieren noch zuordnen können. Der Sonnenaufgang am nächsten Morgen, gepaart mit Bergseen und einem dampfenden Vulkan, lädt zu einem verlängerten Frühstück ein. Hier wird auch klar, woher das undefinierbare Zischen kommt: Es ist eine Geothermie Anlage, die die Wärme in den nächsten Ort transportiert.
Der Copahue ist 2950m hoch, die Forstpiste endet bei 2200m und ab hier beginnt der Trail: Eine entspannte Halbtagestour. Der aktive, ringsum vergletscherte Krater könnte ein beeindruckendes Panorama bieten. Flo ist erkältungsbedingt noch immer außer Gefecht. So mache ich mich alleine auf den Weg, während er an einem der Seen auf mich wartet. Der Trail verläuft zunächst gut sichtbar und eingelaufen durch die karge Felslandschaft. Die vielen Kurven versprechen ordentlichen Techflow in der Abfahrt! Der Weg führ vorbei an einem dampfenden Flussbett, dessen warmes Wasser den Gletscher metertief ausgespült hat. Als ich realisiere, dass ich auf ebendiesem Gletscher stehe, der mit schwarzem Vulkansand bedeckt ist, mache ich paar Schritte zurück.
Die letzten 300 Höhenmeter sind weglos, es geht durch den losen Sand bis zum Gipfel hinauf. Zwei Wanderer vor mir mühen sich mit dem Gelände genauso ab, wie ich. Doch ich entscheide mich nicht den direkten Weg zu gehen, sondern laufe serpentinenmäßig den Hang hinauf. Das funktioniert erstaunlich gut und ich komme zeitgleich mit den beiden Wanderern am Krater an. „Binissimo!“ schallt es mir entgegen. Da kann ich nur zustimmen. Der Krater hat zwei Seen: Aus dem einen dampft es gehörig, der zweite, tiefer gelegene, scheint kälter zu sein. Der Gletscher hängt über dem dampfenden Kratersee und schmilzt hinein. Hin und wieder dreht der Wind und man bekommt eine ordentliche Ladung Schwefeldampf ab.
Ich warte, bis die Wanderer den losen Bereich verlassen haben und nutze die Zeit für ein ausgedehntes Vesper. Die Abfahrt beginnt mit dem Surfen durch den schwarzen Lavasand. Der Untergrund wechselt ständig und ich ziehe lange Kurven in den Hang. Spaß pur: Nicht bremsen, sonst gräbt sich das Rad ein – Gegenlenken ist angesagt! Kaum habe ich mich an den Untergrund gewöhnt, ist der steile Hang auch zu ende. Eine Gruppe Wanderer mit Guide hat die Abfahrt von unten gefilmt, wir alle haben ein breites Grinsen im Gesicht. Wir kommen ins Gespräch und der Guide bedankt sich für die Show – keine Spur vom Nicht-Willkommensein als Biker! Ich kurbele wieder an, fahre am dampfenden Flussbett entlang und koste den Techflow voll aus, bis ich wieder an der Forstpiste ankomme. Beim Ausrollen auf der Forstpiste sehe ich unseren unverkennbaren Bus unten zwischen den Seen. Kurz darauf taucht auch ein Trail auf, der in dieselbe Richtung zu gehen scheint: Bingo! Noch gut 200 Höhenmeter Forstpiste gegen Trail eingetauscht und schon bin ich am Bus.
Ich mache von unserer open-air Dusche am Bus Gebrauch, wir packen zusammen und fahren wieder zurück in den nächsten Ort. Der Tank ist fast leer, ebenso unser Kühlschrank. Auf dem Rückweg sehen wir verlassene Thermalbäder. Die Dächer der Hütten sind eingebrochen, aber es dampft immer noch dort heraus – ein bizarres Bild. Das Gelände ist abgesperrt, so vergnügen wir uns mit brodelnden Schlammlöchern und dampfenden Flüssen außerhalb.
Im Ort angekommen decken wir uns mit Lebensmitteln ein. Die Tankstelle, die um 17 Uhr schließt, hat kein Benzin mehr für uns – da sind wir wieder froh über unsere Spritreserven auf dem Dach. Lehrreich! Hätten wir keine Reservekanister, würden wir nicht mehr so leicht aus dem Tal rauskommen. Es ist noch früh am Abend und wir haben weitere 150km Dirtroad bis zum nächsten Projekt. Weitergehts!