Die Grenze im Nirgendwo
Chile steht auf der Projekteliste! Nach dem Fehlschlag am Tromen versuchen wir unser Glück mal im Nachbarland. Das bedeutet: 190 Kilometer Dirtroad bis zum Ziel. Mit den Dirtroads verbinden wir inzwischen gemischte Gefühle. Mal sind sie richtig schön eben und lassen sich mit 70 km/h oder mehr fahren. Das macht schon Spaß, besonders wenn man die Staubfahne hinter’ m Auto sieht. Das krasse Gegenteil: über Kilometer hinweg kleine Wellen, die denen einer Sanddüne ähneln. Oder noch gröberes Geläuf. Da sind maximal 20-30km/h drin. Was nie ausbleibt, ist das Staubwischen nach der Ankunft. Obwohl wir inzwischen jedes noch so kleine Loch in der Karosserie mit Panzertape abgeklebt haben – der Staub findet immer noch seinen Weg in’ s Auto. Selbst durch die Lautsprecher der Musikanlage! Wir fragen uns, ob das Problem bei moderneren Autos auch gegeben ist?
Die Dirtroad zur chilenischen Grenze ist jedenfalls ein Kandidat der schlechteren Kategorie. Landschaftlich ist die Strecke sehr schön und führt uns durch ein beeindruckendes Flusstal, dessen Hänge mega Bikeparkpotenzial hätten. Es folgt ein Gebirge, das teils recht interessante Gesteisformationen aufweist. Nach fast fünf Stunden Gerüttel erreichen wir nach 140 Kilometern endlich die Grenzstation. Diese liegt mitten im Nirgendwo, gute 80 Kilometer vom nächsten Dorf entfernt an der einspurigen Dirtroad. Die Abwicklung geht zügig und schon sind wir im Niemandsland, oder der Duty-Free Zone. Diese ist groß: gut 20 Kilometer lang und sie führt über einen Pass. Aber zu kaufen gibt’ s nix. Es folgt die chilenische Grenzstation, die erstaunlicherweise mit elektronischem Passscanner ausgestattet ist. Stylepunkte kassiert der Bauer, der gerade mit seinem Pferd angeritten kommt und auf ebendiesem die Grenze passieren will.
Kurz nach der Grenze bekommen wir einen ersten Blick auf den Vulkan Antuco – Ausgangsort für unser nächstes Projekt. Sekunden später verschwindet er in den Wolken und es regnet ergiebig – mitten in der Wüste. Die Dirtroad führt am Fuß des Vulkans entlang über schwarze Asche und erstarrte Lavaströme. Der Vulkan ist – war ja klar – ein Nationalpark; biken verboten! Umso erstaunlicher ist es, dass da mittendrin ein kleines Skigebiet steht. Noch erstaunlicher ist es, dass wir in diesem etwas entdecken, was sich gerne Bikepark nennen würde. Die Qualität dieses Parks ist überragend: Faustgroße Steine pflastern die Anfahrt zum viel zu kurzen Wallride, die Landung vom Drop endet in einem fast 30cm tiefen Schlagloch, Kicker haben keine Landung. Man kann sagen, zumindest der Wille war da. In Betrieb ist nix, Biker sind natürlich auch keine da. Das ganze Skigebiet und die Ferienhäuser am Fuß sind heruntergekommen und teils defekt. Es gibt keinerlei Info zum Nationalpark oder zu den Wanderwegen.
Am Fuß des Berges liegt ein riesiger See, der wohl durch einen Lavastrom entstanden ist. Dieser hat ein enges Tal abgedichtet und so den etwa 40 Kilometer langen See aufgestaut. Das Ufer soll unser Nächtigungsplatz werden und prompt fahren wir uns auf einem Lavastein fest. Das Differential wäre geplanter Weise schön daran vorbei gekommen – die Dämpferaufhängung knallt voll drauf. Nix geht mehr, das linke Hinterrad hängt in der Luft. Unser Plan: das Auto mit dem Wagenheber anheben und das Rad mit Steinen unterbauen. Dieser scheitert aber, der Reifen bekommt nicht genug Grip. Zum Glück steht das Auto so schräg, dass es durch weiteres Anheben und Entlasten der Dämpferaufhängung langsam zur Seite rutscht. Der Wagenheber gerät in bedrohliche Schieflage, hält aber zum Glück. Nach ein paar Sekunden Rutschpartie ist das Auto wieder frei. Glück gehabt!
Der Sonnenaufgang am See ist bombastisch – so macht Frühstücken Spaß! Unser heutiges Tourenprojekt soll auf einen Berg gegenüber des Vulkans führen. Da gibt’ s keinen Nationalpark, dafür aber laut Google Earth und opentopomap.org einen Haufen Trails um den See.
Kein Trail, kein Durchgang
Die böse Überraschung kommt schnell. Auf der Forstpiste, die zum Trail führen müsste, ist ein Tor mit einem Schild: „Privatbesitz, kein Durchgang und kein Weg, frei laufende Tiere.“ Wir können das nicht so ganz glauben und beschließen, doch mal einen Durchgang zu riskieren. Es passt allerdings ins Gesamtbild: Der Tourismus hat hier wohl vor längerer Zeit Auszug erhalten.
Stark benutzt ist der Weg nicht, es gibt nur ein paar Pferdespuren. Wir erreichen eine riesige, kilometerlange Hochebene voller Lavasand. Das Pedalieren fällt hier richtig schwer, weil man ziemlich einsinkt. Kurze Zeit später erblicken wir die erste Kuh Herde. Diese wirkt, nachdem sie uns erspäht hat, auch gleich recht nervös. Wir fahren einen riesigen Bogen um die Tiere und stehen vor einer Buschlandschaft. Vom Trail weit und breit keine Spur. Nur Pferdespuren, die vermutlich zur Hütte des Bauern führen. Wir klettern auf eine Felsformation, um uns einen Überblick zu verschaffen: im Gebüsch verstecken sich noch einige Kühe. Diese haben Kälber und vermutlich ihr Leben lang noch nie einen Biker gesehen. Nachdem ich bereits zweimal von Kuhherden gejagt wurde – einmal eine dreiviertel Stunde lang – stellt sich kein gutes Gefühl bei mir ein. Sollte die Herde angreifen, gibt es keinen Ausweg für uns außer dem Fels, auf dem wir gerade stehen. Flüchten auf dem kilometerweiten Lavauntergrund: keine Chance. Wir brechen die Tour ab. Im Gebüsch den Trail zu suchen, macht sowieso wenig Sinn und es wäre auch sehr fraglich, was passiert, wenn wir plötzlich in ein paar Kühe rein fahren.
Also in großem Bogen zurück um die Herde – diese lässt uns keine Sekunde aus dem Auge. Das war wohl nix mit diesem Projekt. Da der Nationalpark nebenan wohl tot zu sein scheint, ist der Gedanke reizvoll, einfach den Vulkan zu befahren. Zurück beim Skigebiet suchen wir den Einstieg eines Gipfeltrails vergeblich. Es soll wohl nicht sein in dieser Gegend. Sie ist wunderschön, aber zum Biken untauglich. Wir packen ein und brechen zum nächsten Projekt auf.