Die Küste rauf
Ein tiefblauer Streifen am Horizont – der Pazifik ist in Sicht! Der ein oder andere kennt sicher dieses Gefühl, nach einer langen Fahrt und einer langen Zeit endlich wieder das Meer zu erblicken. Eine tiefe Zufriedenheit und innere Ruhe stellt sich ein, nachdem wir den Stadtstress von Copíapo hinter uns gelassen haben. Da sitzen wir also mit Bier in der Hand am Strand und schauen dem Sonnenuntergang zu.
Der nächste Morgen überrascht mit Wolken. Ja, Wolken – der ganze Himmel ist bedeckt damit. Ein Phänomen, das wir seit gut fünf Wochen nicht mehr gesehen haben. Eine Hochnebelsuppe trübt die Küstenszenerie ein.
Wir fahren am Meer entlang gen Norden. An der dünn besiedelten Küste gibt es nur wenige Ortschaften – wer das Flair von schönen Küstenorten an Mittelmeer, Nord- oder Ostsee gewohnt ist, der wird hier enttäuscht. Die Orte wirken trist – ein definierter Ortskern mit Hafen fehlt meist.
Dafür ist aber die Landschaft an der Küste umso faszinierender: Obwohl direkt an der Küste gelegen, regnet es hier praktisch nie. Wüste, die ins Meer verläuft. Die wenigen Kakteen und Sträucher, die hier gedeihen, leben wohl ausschließlich vom Dunst des Meeres. Abgestorbene Kakteen zeigen, dass das wohl ein hartes Leben ist. Über große Teile besteht die Küste aus Granitgestein, das über halbe Ewigkeiten vom Meer ausgespült wurde. Das Wasser hat äußerst bizarre Formen gezaubert.
Der Panoramatrail überm Meer
Ein Trail über dem Meer – das war einer unserer Wünsche an unseren Roadtrip. So etwas zu finden, ist nicht so einfach. Genau genommen scheint unser Ziel der einzige Trail auf etwa 600 Kilometern Küste zu sein. Wie könnte es aber anders sein: Der Trail liegt in einem Nationalpark in Chile. Aber oh Wunder, biken ist erlaubt! Es gibt sogar eine ausgewiesene Bikerunde. Die führt zwar nicht auf den Berg mit dem Trail, aber sie zweigt davon ab und am Abzweig stehen keine Verbotsschilder.
Der Park ist wie ausgestorben, kein Mensch ist unterwegs. Wir chillen am Meer und hoffen, dass sich gegen Abend die Wolkendecke noch öffnet – für die Abfahrt im Sonnenuntergang überm Meer. Ja, so richtig schön kitschig.
Als wir in den Aufstieg gehen, öffnet sich zumindest ein heller Streifen am Horizont – dabei bleibt es aber auch. Wir gehen in die Abfahrt und cruisen hunderte Meter über dem Meer einen richtig schönen Flowtrail herunter. Hin und wieder garniert mit technischen Sequenzen und Spitzkehren – die größte Herausforderung ist aber, in den Kurven mit viel Schräglage nicht mit dem Innenfuß an einer Kaktee hängen zu bleiben! Ein Bilderbuchtrail, garniert mit dramatischer Stimmung durch die dunklen Wolken und einem Feuerstreifen am Horizont.
Mit fettem Grinsen kommen wir am Auto an, suchen kurz einen schönen Standplatz und kochen lecker Tortelini.
Komplizierte Wissenschaft
Der nächste Morgen erfreut mit strahlendem Sonnenschein. Wir setzen unsere Tour am Meer fort. Kurve um Kurve zeigt sich ein neuer Steilküstenabschnitt, eine schöne Bucht oder ein paar Klippen mit ordentlich Brandung. Hier lässt es sich aushalten. Für uns gibt es noch mal Kaffee am Strand, ehe unsere Route das Meer verlässt.
Auf dem Weg nach Argentinien liegen die ESO Paranal (European South Observatory) Teleskope malerisch auf einem etwa 3000 Meter hohen Berg mitten in der Wüste gelegen. Hier wird Wissenschaft für die Zukunft betrieben. Sicher einen Blick wert, denken wir und machen einen Abstecher dort hin. Der Blick bleibt uns jedoch verwehrt: Bestimmt zwei Kilometer vorm Ziel ist die Straße bereits gesperrt. Besichtigung nur samstags um 14 Uhr möglich. Schwache Sache für die Wissenschaft. Dass nicht jeder überall reinlatschen darf, ist klar. Aber dass alles hermetisch abgeriegelt wird, ist mindestens schade, wenn nicht sogar überflüssig. So bringt man den Leuten die Wissenschaft nicht näher.
Uns bleibt nix, als unsere Fahrt zum wohl entlegensten Grenzübergang zwischen Chile und Argentinien fortzusetzten: Paso Socompa.