Eine 500 Meter hohe Düne
Das Hochgebirge haben wir verlassen und sind den San Francisco Pass komplett abgefahren. Wir machen einen Abstecher nach Copiápo, um unser Proviant aufzustocken und den Bus vollzutanken. Der Plan, in der Stadt zu bleiben, scheitert direkt: Der einzige Campingplatz hat zu. Also raus in die Wüste, zu unserem nächsten Projekt. Die Tanke macht es dem Campingplatz gleich. Ein Zeichen für uns, dass wir hier fertig sind. Wir haben genug Reserven.
Unser endgültiges Ziel, eine etwa 500 Meter hohe Düne, werden wir bei Nacht nicht finden, also suchen wir uns nahe der Koordinaten einen Stellplatz und drücken beide Augen zu. Unsere Düne zeigt sich am nächsten Morgen ein paar Kilometer weiter ins Nichts hinein. Zu weit zum kurbeln. Mit dem Auto durch die Pampa zu riskant: grobes Material, weicher Boden, nicht einsehbare Bachläufe. Wir umfahren das Gelände auf der Suche nach einer geeigneten Autospur. Gute 30 Kilometer später finden wir einen Abzweig, der in die richtige Richtung zu gehen scheint. Die Autospuren teilen sich immer wieder auf und werden immer weniger prägnant und fest. Die Hauptwege scheinen zu Strommasten, Umspannstationen und Solarkraftwerken zu führen – gut, wir sind halt in der Wüste! Anderenfalls wäre diese Gegend wohl kaum erschlossen. Fest steht: Zu unserem Ziel führt kein richtiger Weg. Wir arbeiten uns eine sandige Piste entlang, die wohl hin und wieder von Locals aus Copiápo genutzt wird. Auf den umliegenden Hängen der Hügel sind immer wieder Jeepspuren zu sehen. Wir sind erstaunt, wie gut wir im Sand vorwärtskommen. Sicher ist sicher: Zum Halten suchen wir uns immer wieder Stellen, die härteren Untergrund versprechen. Wir tanken auch nach: Nicht, dass wir in einer kritischen Situation liegen bleiben.
Um die Mittagszeit kommen wir nah genug an die Ausläufer der Düne, um überhaupt mal zu spüren, wie der Boden ist. Sollte das alles loser, weicher Sand sein, brauchen wir die Bikes gar nicht aufzubauen. Dem ist aber nicht so: Wenn man auf den Rücken der Dünen rumtrampelt, sieht man klare Abdrücke unserer Schuhe und wir brechen nicht ein. Das könnte funktionieren! Also weiter um die Düne herum fahren und eine richtige Ridge suchen. Wir suchen uns zwei Favoriten, von denen wir einen in der Abendsonne angehen möchten. Die komplette Düne abzufahren wird nicht möglich sein, aber an die 300 Höhenmeter sind drin. Jetzt brennt die Sonne noch zu sehr nieder, wir möchten etwas abwarten, bis angenehmere Bedingungen herrschen. Zurück in die Stadt und anstehende Erledigungen abhacken? Vorzelt aufspannen und abhängen? Die Düne weiter umfahren und die Neugierde stillen? Letzteres!
Mit den Schneeketten durch die Wüste
Unsere nahezu abgefahrenen Maxxis Reifen an der Transe arbeiten sich zuverlässig durch den immer weicher werdenden Untergrund und wir sind nun an der östlichen Seite der Düne. Unscheinbar wird der Weg steiler. Das Gelände links und rechts des Weges scheint fester, liegt aber zu hoch. Ohoh! Anhalten keine Alternative, Runterschalten, Vollgas: Wir schaffen noch weitere 200m durch den super weich gewordenen Sand und graben uns vorbildlich mit allen vier Rädern ein. Ganz klar: eine festgefahrene Situation. Wir brauchen garnicht lange zu probieren, uns freizufahren. Wir schnallen die Sandbleche und unsere Truper 2000 Schippe vom Dach. Es werden sehr trockene, harte und müßige vier Stunden in der prallen Wüstensonne werden. Wir arbeiten uns rückwärts immer eine Sandblechlänge aus dem Sand heraus: Hinterräder untergraben, Sandblech drunter, Sand unter das Blech, drüber fahren. Räder untergraben, Sandblech drunter, …Moment! Nach 50 Meter Strecke und einer Stunde „Blechen“: Schneeketten! Die könnten genug Grip in dem losen Sand haben. Wir lassen nichts unversucht und packen die Bleche unter die Vorderräder, während wir die Hinterräder nur noch freischaufeln. Es funktioniert und wir kommen wesentlich schneller vorwärts – genau genommen rückwärts. 200 Meter und zwei Stunden später kommen wir an eine Stelle, an der der Wegrand nur marginal höher liegt, als der Weg. Wenn wir dort rauf kommen, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir durch die Pampa besser vorwärts kommen. So können wir zu der nicht-so-weichen-Straße wieder zurück kommen, wo wir wieder vernünftig fahren können. Weiter geht’s! Wir graben uns den Übergang eben und arbeiten uns mit Schneeketten, Sandblechen und zusätzlichen flachen Felsen bei UV9 in den festen Offroad Bereich. Es klappt! Die Transe steht ohne Bleche auf dem Boden und versinkt nicht! Wir schmeißen all unser Gerümpel und Werkzeug lose in den Bus und machen uns vom Acker – wortwörtlich, zurück zu unseren favorisierten Ridges. Was für eine Nachmittagsbeschäftigung! Allrad wäre in der Situation sicherlich von Nutzen gewesen, und hätte diese vielleicht sogar abgewendet, aber naja. Wir sind hier nicht bei der Rally Dakar.
Dune-surfing
Der Kaffee und die Brotzeit tun ihr übriges und wir berappeln uns nach der Schaufelaktion. Wir haben überall Sand! Als das Werkzeug und die Bleche sicher verstaut sind, ist es auch an der Zeit, mit den Bikes auf den großen Sandhaufen vor uns zu laufen. Die Schatten werden länger. Unsere Ridge wirft auch einen und wir stiefeln in ihm bis zum Beginn der Ridge. Völlig fehl am Platz erscheinen die vielen kleinen Büsche, die sich aus dem Sand kämpfen. Der Großteil ist ausgetrocknet und es fliegen nur noch die Samen umher, doch hier und da grünt es uns entgegen. Wir schlagen einen Zickzackweg um die Vegetation ein, bis wir die Kante der Ridge erreichen. Der Wind hat die Sandoberfläche verfestigt und zu einem feinen Wellenmuster geformt. Die Sandkante zwischen der Sandzu- und abgewandten Seite der Ridge bricht messerscharf ab. Die Natur stellt ihr künstlerisches Talent hier mal wieder im vollen Maße unter Beweis!
Die Sonne steht nun genau richtig. Wir besprechen schnell noch die Line, denn wir haben nur einen Versuch und: Abfahrt! Die Strapazen der uns am Nachmittag auferlegten Aufgabe sind vergessen. Auf den steilen Hängen müssen wir gut Obacht geben, uns nicht einzugraben. Die Falllinie wollen wir nicht nehmen und steuern den Kamm an. Kaum sind wir darauf, beschleunigt das Bike, als ob man in die Halfpipe gedropt sei: Der Untergrund ist vom Wind so verfestigt, dass wir darüber hinweg fegen. Wir drosseln das Tempo durch gegenlenken und wirbeln meterlange Staubfahnen auf. Die Abendsonne gibt den kleinen Sandstürmen unter unseren Reifen einen gelbroten Touch und wir kommen unserem Bus leider viel zu schnell entgegen. Wir grinsen.
Beim restlichen Licht spoten wir die zweite Ridge zu Fuß und entscheiden uns für einen zweiten Versuch am nächsten Morgen. Die Line scheint länger zu sein und es hat gerade eben überraschend viel Spaß gemacht! Hundemüde aber beglückt gibt’s Abendbrot. Die Bikes können aufgebaut bleiben.
Sand zum Frühstück
Wir quälen uns im Dunkeln von den Schlafsäcken in die Bike Klamotten. In der Dämmerung arbeiten wir uns wieder durch teils festen, teils losen Sand unserer zweiten Ridge entgegen. Die Luft ist angenehm frisch, das erleichtert den Aufstieg – wir sind schnell Oben. Die Sonne klettert zeitgleich mit unserer Ankunft über den gegenüberliegenden Berg. Fast der Sonne entgegen wiederholen wir das Procedere vom Vorabend: Schwung im Sand holen, oben aufschwimmen und dann das richtige Tempo halten. Unser zweiter Favorit funktioniert sogar noch besser, als die Ridge vom Vortag. Unten wartet der Kaffee und das Frühstück. Wir surfen den Auslauf ab und nehmen alles Tempo mit, was das Ende der Düne hergibt. Es schanzt uns immer wieder auf kleinen Sandhügeln hoch und schon sind wir fertig mit dem morgendlichen Sportprogram. Guten Morgen!
Bevor wir aber den Weg in Richtung Meer einschlagen, heißt es nochmal kurz: Nervenkitzel. Beim Weg raus aus der Wüste, haben wir uns für einen optisch besseren und offensichtlich mehr befahrenen Weg entschieden. Dieser endet auf jeden Fall an einer der Strommasten-Straßen, die befestigt ist. Unser Weg der Wahl wir aber immer sandiger und die Drehzahl sinkt – kurzes Déjà-vu zu gestern Mittag. Also direkt ab in die Pampa und Vollgas auf den befestigten Weg. Es klappt, der Untergrund ist aber nicht so fest, wie erwartet. Zusätzlich geht’s leicht bergauf. Hoffentlich ist vor dem Weg kein Wassergraben! Die Schneeketten sind noch drauf und machen gute Arbeit. Mit Lenken ist nicht mehr viel. Wir schießen auf die Straße zu. Kein Graben. Yeah! Wir atmen auf, als wir mit ordentlich Schwung aus dem Acker auf die Straße schießen – diesmal haben wir Glück gehabt.
Wir machen noch einen Boxenstopp in Copiápo, ein Ölwechsel für den Bus ist fällig. Das ist schnell erledigt, noch ein Snack auf die Hand und wir sind pünktlich zum Sonnenuntergang am Pazifik: Füße im Sand, Bier in der Hand – salut!
[…] Erstaunlicherweise kam es kaum zu Meinungsverschiedenheiten und wir konnten die ein oder andere Extremsituation als gutes Team problemlos […]
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